BREEDING GROUND

Entwurf für eine Installation für das Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) in Augsburg

Das BTZ verfügt über drei Innenhöfe, deren Aufgabe es ist die Werkstätten und Schulungsräume zu belichten und zu belüften. Ein großer Teil der Arbeits- und Schulungsräume weist ausschließlich Fenster zu den drei Innenhöfen auf. Im Laufe ihres Arbeitstages wird der Blick der Lehrenden, Lehrenden und Arbeitenden viele Male auf die sachlich gestalteten Aluminium-Elementfassaden der Innenhöfe treffen, sodass diesen eine große Bedeutung für die alltägliche Wahrnehmung des Arbeits- und Lernumfelds der Auszubildenden und des Lehrpersonals zukommt. Das Gebäude ermöglicht es durch seine klare und sachliche Gestaltung den Fokus auf die Abläufe und Routinen der Arbeit und des Unterrichts zu legen und die dafür notwendige Konzentration aufzubringen. Die Innenhöfe setzten mit ihrer Fassadengestaltung die Sachlichkeit, Ordnung und Kontrolliertheit der Werkstätten und der inneren Organisation in den „inneren“ Außenräumen des BTZ fort.

Bei der alltäglichen Wahrnehmung der Lehrenden und Lernenden setzt der Beitrag „Breeding Ground“ an. Zahlreiche empirische Studien belegen, dass das Erleben von Natur im Arbeitsumfeld das Wohlbefinden und die Konzentration verbessern. Das klingt zunächst trivial und die Studien beantworten auch nicht die Frage warum das so ist. Dieser Beitrag geht – Immanuel Kant folgend – davon aus, dass die Betrachtung von Natur als schön und wohltuend empfunden wird, weil sie als eine zweckfreie und alternative Ordnung zu unserem alltäglichen Abläufen und gesellschaftlichen Routinen wahrgenommen werden kann. Die Betrachtung einer sich selbst erschaffenden und erhaltenden Ordnung (eines autopoietischen Systems) wirkt alltagsentlastend und schön. Dieser Beitrag schlägt vor durch die Installation eines Breeding Ground im Innenhof Mitte und Nord dieser anderen Ordnung des Lebendigen im BTZ einen Ort zur Entfaltung zu geben.

Die Installation besteht aus drei Schichten:

  • einer nährstoffreichen Substratschicht aus Erde mit hohem Anteil an organischem Material und guter Wasserspeicherkapazität mit einer Mindesthöhe von 30 cm,
  • einer Vegetationsschicht mit Schatten- und Halbschattenpflanzen nitrophiler (Stickstoff liebender) Saumgesellschaften frischer Standorte mit einem hohen Anteil an Pflanzen mit kräftigen Rhizomen und Wurzelausläufern (Brennnessel, Giersch). Im Innenhof Nord besteht die Vegetationsschicht – auch bedingt durch die Tiergarage – aus Stauden, im Innenhof Nord kommen Bäume (Schwarz-Erlen) hinzu.
  • einer Trittschicht aus Gitterrosten mit 4 verschiedenen Maschenteilungen (33 x 11, 33 x 33, 33 x 66 und 33 x 99 mm). Die Gitterroste können je nach Maschenteilung in verschiedener Intensität von den Trieben der Pflanzen durchwachsen werden. Die geometrische Ordnung der Elementfassaden wird durch die Gitterroste auf den Boden übertragen und von der Vegetation durchbrochen. Die Höhe und der Deckungsgrad der Vegetation ist abhängig von der Maschenteilung der Gitterroste, der Nutzungsintensität auf der Trittschicht (durch das Betreten) und der Lichtintensität, die zum Boden gelangt.

Die ästhetische Wirkung des Breeding Ground beruht

  • erstens auf der eigenständigen Dynamik und Ordnung der Pflanzen in ihrem Wachstum (neue Triebe, Dickenwachstum der Stämme), den jahreszeitlichen Veränderungen (frisches Grün zwischen den Gitterosten und an den Erlen, Blüten, absterbende Pflanzen im Herbst, Laubfall) und ihren Wechselwirkungen mit dem Gebäude (Schattenspiel auf Fassaden, Lichteffekte durch Blätter im Wind)
  • zweitens auf der Wechselbeziehung der ausgewählten Pflanzen mit verschiedenen Tierarten, hier im Speziellen Falter.

Pflanzen erfüllen für verschiedene Tierarten essentielle Funktionen (Nahrung, Brutplatz, etc.) für deren Überleben und Fortpflanzung. Bedingt durch die isolierte Situation der Innenhöfe zum Umfeld können diese fast nur von fliegenden Tieren erreicht werden. Wir haben uns angesichts der gläsernen Fassaden gegen die Förderung von Vögeln in den Innenhöfen entschieden (z.B. durch das Anbieten von Nisthilfen), da diese durch die zahlreichen Glasscheiben einer hohen Gefahr des Anprallens (Vogelschlag) ausgesetzt wären. Durch die Auswahl von Nahrungspflanzen (Brennnesseln, etc.) und einer geeigneten Raumstruktur soll daher versucht werden das Vorkommen von Faltern in den Innenhöfen zu ermöglichen. Zur Auswahl geeigneter Falterarten wurden die Daten der Artenschutzkartierung Bayerns (ASK Daten) im Stadtbereich von Augsburg angefordert. Aus den so ermittelten lokal vorkommenden Arten wurden Zielarten ausgewählt für die die Habitatansprüche in den Innenhöfen (teilweise in Zusammenhang mit dem Umfeld des BTZ) erfüllt werden können.

Die Stauden (Große Brennnessel, Giersch, Wasserdost, Echter Baldrian, Gundermann, Wald-Zwenke, Wiesen-Kerbel, Knoblauchsrauke, Schöllkraut, Echte Nelkenwurz, Knoten-Beinwell, u.a.) werden durch Rhizomstücke, Aussaat und/oder Pflanzung in den Innenhöfen ausgepflanzt. Die Bäume (Schwarz-Erlen) werden als möglichst hoch aufgeastete Hochstämme gepflanzt. Alle ausgewählten Pflanzen sind mit ihren Standortansprüchen (Halbschatten- und Schattenpflanzen) für die Innenhöfe geeignet. Die schattige Lage, die teilweise Abdeckung der Bodenoberfläche mit Gitterrost und das gewählte Substrat sollten die notwendige Bodenfeuchtigkeit für die Pflanzen gewährleisten. Diese kann ggf. durch die Regulierung der Versickerung bzw. der Ableitung des Regenwassers noch gesteigert werden. Die abgestorbenen Pflanzenteile der Stauden müssen im Frühling zeitweise abgeschnitten und entfernt werden. Das sollte nicht jährlich erfolgen, sondern (je nach Vegetationsdynamik) abschnittsweise alle 3 Jahre. Die Schwarz-Erlen werden durch die Lichtkonkurrenz zu einem verstärkten Höhenwachstum angeregt, sodass nach einigen Jahren die Attikahöhe des Gebäudes erreicht werden kann. Die Seitenäste müssen entsprechend dem Höhenwachstum entfernt werden, mit dem Ziel im Hofbereich lange Stämme ohne Seitenäste zu erhalten. Die Kronen entfalten sich im Endstadium erst über der Attika. Die sehr langen Stämme werden zum Schutz vor Windbruch durch elastische Seile im Bereich der Attika verankert.

Entwurf für eine Installation in zwei Innenhöfen im Rahmen des geladenen Wettbewerbs zur künstlerischen Gestaltung des Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ)

ORT
Augsburg

AUFTRAGGEBER
Handwerkskammer Schwaben

PROJEKTTEAM
Polinna Hauck, Qingyu Liang

ZEITRAUM
2019

DOWNLOAD

Download Wettbewerbsbeitrag