ANIMAL-AIDED DESIGN

Forschungsprojekt zur Integration von Tierbedürfnissen in die Planung urbaner Freiräume

Die Kernidee der Methode Animal-Aided Design (AAD) ist, das Vorkommen von Tieren als Teil der Gestaltung von Freiräumen integrativ zu planen. Am Anfang der Planung mit AAD steht die Frage, welche Tiere in einem Freiraum vorkommen und an welchen Ökosystemleistungen sie beteiligt sein sollen. Die Tierarten, die später an einem Ort leben sollen, werden also bereits zu Beginn der Entwurfsplanung nach ganz unterschiedlichen Kriterien ausgewählt: etwa der ästhetischen Qualität einer Art (wie dem Gesang der Amsel), um eine Art zu schützen (FFH-Art Zauneidechse) oder aus einem praktischen Zweck (Schädlingsvertilgung an Bäumen durch die Blaumeise).

Da in Europa Städte als Wohnort immer beliebter werden, ihr Wachstumspotenzial innerhalb der Stadtgrenzen aber beschränkt ist, führt das zu einer höheren baulichen Dichte. Dies wirkt sich auch auf bestehende Freiräume aus, wie etwa städtische Brachen. Über Jahrzehnte entwickelten sie sich zu Nischen für viele verschiedene Tierarten. Auch für solche, die im intensiv bewirtschafteten ländlichen Raum keine Lebensgrundlage mehr finden. Parks und Grünzüge werden als Folge der Nachverdichtung und durch steigende Freizeitaktivitäten im Grünen intensiver genutzt. Als Folge nimmt die Artenzahl in der Stadt ab. Gleichzeitig wird in Zeiten des Klimawandels das „Stadtgrün“ mit seinen Ökosystemleistungen immer wichtiger. Eine nachhaltige Stadtplanung muss diesen Zielkonflikt lösen, um leistungsfähige grüne Infrastrukturen zu schaffen. Aktuell dominieren in der Praxis Konflikte zwischen Stadtplanung und Naturschutz, die sich am Vorkommen von geschützten Arten in Planungsgebieten entzünden. Wird ein Vorkommen entdeckt, ist die Planung meist bereits so weit fortgeschritten, dass sie erheblich geändert werden muss, um den Artenschutz zu berücksichtigen. Eine Lösung wäre, die biologische Vielfalt und das Vorkommen erwünschter Tierarten von vornherein in die Planung einzubeziehen.

Der Schlüssel zu Animal-Aided Design ist der Lebenszyklus einer Art, von der Geburt bis zur Produktion der nächsten Nachkommen. Um eine Population der gewünschten Tierart mit einer hohen Wahrscheinlichkeit dauerhaft am Entwurfsort anzusiedeln, muss der Gestalter über die Bedürfnisse des Tieres in all seinen Lebensphasen Bescheid wissen und diese Kenntnisse in seine Planung einbeziehen. Hier liegt das Defizit vieler bisheriger Versuche Tierarten anzusiedeln, bei denen etwa Nistkästen aufgehängt oder Bienenhotels aufgestellt werden: es wird nur ein Teil der Bedürfnisse des Tieres (hier der Brutplatz) erfüllt. Essenzielle andere Bedürfnisse, wie ein bestimmtes Nahrungsangebot oder das Aufsuchen von Jungvögeln einer bodennahen und dichten Deckung werden dem Zufall überlassen. Wenn diese Bedürfnisse aber nicht zufällig erfüllt werden, wird es nicht gelingen, die gewünschten Arten im Planungsgebiet anzusiedeln.

In dem Forschungsprojekt Animal-Aided Design wurde eine Methode entwickelt, um das Wissen über den Lebenszyklus von Tierarten für Gestalter so aufzubereiten, dass es ohne detaillierten Kenntnisse der Art in den Entwurf integriert werden kann. Die sogenannten Kritischen Standortfaktoren leiten sich aus dem  Lebenszyklus ab und können je nach Lebensphase unterschiedlich sein. Detaillierte Beschreibungen der kritischen Standortfaktoren geben Anhaltspunkte für eine artgerechte Planung, anhand derer das bevorzugte Umfeld für der Tiere im jeweiligen Planungsgebiet gestaltet werden kann. Wie bei jedem Entwurf gleicht der Gestalter die funktionalen Ansprüche, also auch die Bedürfnisse der Zielart, in einem iterativen Gestaltungsprozess mit seinen gestalterischen Ideen ab und vereint diese im Entwurf. AAD ist dabei keine Planung allein für Tiere. Die Bedürfnisse der Tiere können dazu dienen, die Gestaltung selbst zu inspirieren.

Entscheidend für den Erfolg von AAD ist die Erkenntnis, dass Tiere nicht in „Naturbildern“ leben, sondern dass einzig und allein ihre Bedürfnisse erfüllt werden müssen. Viele Arten haben sich in Städten Ersatz zur natürlichen Umgebung gesucht. So brütet das Rotkehlchen auch in einem umgefallenen Gummistiefel auf dem Balkon, anstatt unter dichten Horsten von Gräsern. Der Specht bevorzugt den Hartschaum in neugedämmten Fassaden als Ort für seine Höhle. Spatz, Mauersegler, Star und Meisen nisten an Gebäuden. Auch „künstliche“ Elemente erfüllen also die Bedürfnisse der Tiere. Eine Zauninstallation für Bodenbrüter in Berlin, Fassadendesign für Gebäudebrüter und Fledermäuse in München oder eine überdimensionierte Baumskulptur in London: Die im Forschungsprojekt durchgeführten Testentwürfe zeigen, wie Bedürfnisse von Tierarten auch mit neuen Gestaltungsideen, jenseits traditioneller Naturbilder erfüllt werden können. (Text: Hauck, Schelle, Weisser)

Eine Broschüre, die die Prinzipien von Animal-Aided Design erläutert, ist bei den Projektleitern erhältlich oder kann als PDF auf dieser Seite heruntergeladen werden. Die erste Phase des Forschungsprojektes wurde 2013/2014 an der Technischen Universität München durchgeführt und vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gefördert. Animal-Aided Design© ist eine geschützte Wortmarke.

PROJEKTLEITUNG

Prof. Dr. Wolfgang W. Weisser, Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie, Technische Universität München

Dr.-Ing. Thomas Hauck, Fachgebiet Freiraumplanung, Universität Kassel, Studio AAD

ERARBEITUNG VON TESTENTWÜRFEN
Rupert Schelle, Landschaftsarchitekt

Georg Hausladen, Biologe

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Download Broschüre (10 MB)

LINKS

Grafik Design: Sophie Jahnke

Universität Kassel, Freiraumplanung

TUM, Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie

Artikel Süddeutsche Zeitung

Artikel Tagesspiegel

Radiobeitrag SWRinfo